Hochwasser 1910
Im Juni 1910 kam es nach langen Regenfällen und gleichzeitig einsetzender Schneeschmelze zu einem Hochwasser, das infolge der Stauung der Wassermassen in der engen Kapfschlucht zu einer Überschwemmung der ganzen Stadt Feldkirch führte. Vor der Schlucht entstand ein Stausee, der das ganze Stadtgebiet umfasste. Im Sommer 1910 kam es zu einer Besichtigung der Stadt und der Kapfschlucht durch hohe Beamte und Techniker, die nach den Ursachen des Unglücks forschten und nach baulichen Lösungen für einen langfristigen Hochwasserschutz suchten. Als Ursache für den Rückstau wurde die von Felsen eingeengte Schlucht im Kapf wie auch die Kapfbrücke erkannt. Die Stadt richtete an den Landesausschuss, den Vorgänger der Landesregierung, die Bitte um Erarbeitung einer Studie durch das Landesbauamt, das wegen Arbeitsüberlastung aber ablehnen musste. Die Stadt beauftragte daraufhin ihren langjährigen Wasserbauexperten, Ing. Adolf Telorac von der Firma Widmann und Telorac aus Kempten, mit der Erstellung einer Studie. Bereits am 21. September 1910 konnte Ing. Telorac sein Projekt vorstellen, das eine Verbreiterung der Kapfschlucht, die Entfernung der Felsen und die Absenkung der Flusssohle vorsah. Durch diese Maßnahmen sollte ein schnellerer Durchfluss der Wassermassen erreicht werden. Diese Planung wurde daraufhin dem Vorarlberger Landtag mit der Bitte um Schaffung gesetzlicher Regelungen für dieses Großbauprojekt übergeben. Zwei Fachleute, darunter der ehemalige Rheinbauleiter Theodor Pawlik, begutachteten das Projekt und machten Verbesserungsvorschläge. Bereits am 11. Februar 1911 konnte zu einer kommissionellen Verhandlung eingeladen werden und nach längeren Verhandlungen bewilligte die Bezirkshauptmannschaft schon am 22. Juni das Bauprojekt. 1912 und 1913 wurde das Bauprojekt überarbeitet, der Finanzierungsschlüssel zwischen Stadt, Landtag und den Wiener Ministerien beraten und Kostenvoranschläge ermittelt. Die Unkosten des Gesamtprojektes wurden auf gewaltige 800.000 Kronen geschätzt. Die aus Vorarlberg stammenden Reichsratsabgeordneten Jodok Fink und Martin Thurnher traten als erfolgreicher Vermittler zwischen Feldkirch und den Wiener Ministerien auf. Um einen möglichst raschen Baubeginn zu ermöglichen, erklärte sich die Stadt bereit, bis zur Sicherstellung der Landes- und Staatsbeiträge das Baukapital vorzuschießen. Ein mutiger Schritt.
Die Katastrophe 1910 war für die damalige Generation und ihre Nachkommen ein Trauma, das sie ein Leben lang begleitete. Liest man das Gutachten zum Schutzprojekt 1911/14 fällt auf, dass auch frühere Hochwasser in Erinnerung blieben. Das Jahrtausendhochwasser 1762, das den ganzen Alpenraum verheerte, wurde in einer lokalen Kapuziner-Chronik benannt – jedoch ohne genaue Details. Die Hochwasser 1851 und 1891 wurden mit Wasserstand und Schäden beschrieben.
Während im Hintergrund die Finanz- und Kompetenzverhandlungen liefen, war die Geduld der Feldkircher, insbesondere der Bewohner der Vorstadt 1912 am Ende. Am 4.11. fand eine Versammlung der Bürger statt, bei der die Wünsche nach raschem Baubeginn, die Frustration gegenüber den Behörden und Politikern in Bregenz und Wien offen vorgebracht wurden. Es herrschte auch Panik bei den Hausbesitzern. Drei kleine Hochwasser hatten 1912 die Keller geflutet, ein Handwerker fürchtete um seine Existenz. Grundtenor war der Wunsch nach dem sofortige Bau einer Kaimauer in der Vorstadt, besonnene Männer wie Baumeister Hilti verwiesen auf die Felsen in der Schlucht als größte Gefahr. Am Ende der Versammlung sprach der damalige Stadtrat Franz Unterberger, der die Bürger über den neuesten Stand der Verhandlungen und die weitere Vorgehensweise sachlich informierte. Ein erster Beweis der politischen Führungsqualitäten des zukünftigen Bürgermeister Unterberger.
Bei der Ausschreibung erhielt die Wiener Firma Mayreder, Kraus & Co. den Zuschlag für ihr Offert in Höhe von 600.000 Kronen. Die Oberaufsicht über das Bauprojekt hatte eine Kontrollkommission, die sich erstmals am 9. Jänner 1914 traf. Ihre Hauptaufgabe war die Klärung von Meinungsdifferenzen zwischen der Baufirma und den Projektverantwortlichen. Im Herbst 1913 wurde mit dem Bau begonnen. Die Bauleitung übernahm der Landesoberingenieur J. Fritsch, die lokale Bauaufsicht der Feldkircher Stadtbaumeister Herles.